“Ein sehr einschneidendes Erlebnis war es mitunter, als sie mir die Haare abschnitten. Nun ja, es stand schließlich eine große medial dokumentierte Feier an – da wollten
sie uns Schüler natürlich in blauen Hemden und kurzen Haaren zeigen. Erst räumten sie mir die Gelegenheit zur “Selbstkritik” ein. Als ich dann gehen wollte, wurden die
Handschellen auf den Tisch gelegt.”
Hartmut Richter hat sich in Fahrt geredet – doch dies zum Genuss des gesamten Publikums. Wir alle hängen an seinen Lippen, denn auch wenn ich bereits vor etwas mehr als einem Jahr ein ausführliches Interview mit ihm geführt habe – so erfahre ich dennoch stets etwas neues. An diesem Abend im Rahmen des
Boxenstopp am Hans-Otto-Theater.
Neben Hartmut Richter sitzen im Halbkreis auf der Bühne
Sonja Rosenstiel als Vertreterin der Gedenkstätte Lindenstraße 54/55, Jon-Kaare Koppe aus dem Ensemble des Theaters und ich. Eine interessante Runde. Die Diskussion zwischen uns erhält von Aufhängern aus meinem Hörbuch im Sog der Geschichte (
hier ebenfalls anzuhören) einen Roten Faden. Neben den Erzählungen aus dem Leben eines DDR Verfolgten erfahren wir Berichte von Jon sowohl aus seinem eigenen friedlichen Leben in Leipzig im geteilten Deutschland als auch über seine Erfahrungen, die er momentan als Hauptdarsteller im Stück
“Wir sind auch nur ein Volk” sammelt. 1810 wurde der Gebäudekomplex der
Gedenkstätte bereits erbaut, wie wir von
Sonja Rosenstiel lernen – und selbst als Gerichtsgefängnis während der Zeit des Zweiten Weltkrieg diente es, nachdem Berlin zu stark zerstört worden war.
Auch das Publikum kann sich einbringen. Fragen zum Entstehungsprozess des Hörspiels und meiner Vorgehensweise werden gestellt, es wird über die Vergleichbarkeit von verschiedenen Zeitepochen und Regimen debattiert und die Wichtigkeit von Gedenkstätten, Bildungsarbeit und Veranstaltung wie unserer in den Vordergrund gestellt. Auch mein Hörbuch kann verbreitet an weiteren Gedenkstätten, im Zuge von Ausstellungen und durch den Einsatz im Schulunterricht, zu einer tiefergehenden Beschäftigung mit der Geschichte beitragen, wie Hartmut Richter begeistert betont.
Insgesamt war es eine sehr spannende Diskussionsrunde mit interessanten Eindrücken.
Hier noch eine kurze Inhaltszusammenfassung des Hörbuchs:
Daryl hat gerade im ersten Semester sein Informatikstudium in Potsdam aufgenommen. Kurz nach dem Start der Vorlesungen tritt er dem studentischen Filmklub bei. Anlässlich des Mauerfalls vor 30 Jahren möchten die Mitglieder des Klubs 2019 ein geschichtliches Projekt realisieren. Daryl steigt mit seinen Vorerfahrungen im Bereich Film als Regisseur mit ein, entwickelt die Idee und wird zum Hauptverantwortlichen. Die Projektidee: fünf Personen unterschiedlicher Epochen, die alle einmal in der Lindenstraße 54/55, einem ehemaligen Untersuchungsgefängnis, gelebt oder gearbeitet haben, in einer Diskussionsrunde an einen Tisch bringen. Die Projektarbeiten gehen gut voran, doch im Arbeitseifer bemerken die Involvierten nicht, dass sie sich zu sehr in das Projekt hineinsteigern. Die Rollen der Schauspieler beginnen, auch auf ihren Alltag Einfluss zu nehmen und die Stimmung am Set droht zu kippen.