„Und haben Sie bereits vergessen, woher der Name stammt?“ Die ältere Dame am Kopfende des Tisches blickt erwartungsvoll in die Runde. „Das war doch russisch-tschechischer Herkunft, nicht?“ „Jaja, что-Wasser. Und das wurde dann übersetzt“. Das Stimmengewirr beginnt, doch die richtige Antwort lässt sich herauskristallisieren. Schließlich sind die Teilnehmenden des Deutschkurses hier bereits ein eingespieltes Team. Wöchentlich kommen sie zusammen und lesen zwei Stunden lang deutsche Texte, diskutieren, tauschen sich über ihre eigenen Reisen nach Deutschland oder die ihrer Verwandten aus.
Der Artikel über eine Müllverbrennungsanlage, den wir nach der Hundertwasserbiographie zur Hand nehmen, stößt auf ganz besonderes Interesse. „In Russland kennen wir das noch nicht, den Müll so zu trennen und zu verarbeiten“, erläutert die Lehrerin, die selbst bereits das siebzigste Lebensjahr überschritten hat. „Anders als in Deutschland!“
Wir schweifen endgültig vom Text ab, als wir drei deutschen Freiwilligen über unsere Herkunftsstädte berichten. Den Teilnehmenden fallen direkt Ausstellungen und Messen ein: die Frankfurter und Leipziger Buchmesse, das Deutsche Museum in München… Beeindruckend, mit welchem Vokabular sich die sprachinteressierten Damen dabei ausdrücken. Bereits im Hundertwassertext gab es alles andere als triviale Formulierungen. „Aktiv reflektierender Betrachter“ „schöpferisch-gestalterischer Stil“; auch bei dem nächsten Text geht es nicht viel leichter weiter. Ausdrücke wie „Muße“ „sich mit etwas auseinandersetzen“ oder die Verniedlichungsform „Renatchen“ werden von den Sprachbegeisterten verstanden. Wir können schließlich dazu beitragen, doch noch ein Missverständnis aufzuklären. Es ist aber auch gut nachvollziehbar, dass die Formulierung „Jens Spahn spricht sich für mehr Impfungen aus“ zu Beginn eines Zeitungsartikels zu Verwirrung führt. Dass es sich bei diesem CDU-Politiker um den deutschen Gesundheitsminister und nicht etwa um einen Journalisten handelt, ist dann vielleicht doch keine unwichtige Information.
Politisch geht es schließlich auch zu. Wir diskutieren über antirussische Ansichten in Deutschland sowie die Sinnhaftigkeit der Sanktionspolitik und die Situation in der Ukraine. Wirklich eine aufgeweckte Runde, die ich an diesem Mittwochmorgen miterleben darf.