Wir liegen zu viert auf einem der Hotelbetten, die anderen sitzen kreuz und quer auf den bequemen Stühlen und dem Sofa. Unter uns elf halten wir keine 1,5 m Abstand. Wenn einer von uns Covid-19 in sich trägt, hätten wir uns ohnehin bereits alle angesteckt. Was soll uns also vom Kuscheln abhalten? Auf dem Küchentisch stapeln sich einige Pizzakartons und Salatbehälter Dank des Multimediaangebots des Hotelfernsehers läuft Musik. Einige spielen die Liegevariante von Pokemon-Go, andere unterhalten sich. Schade ist es natürlich, dass wir unsere Reise unterbrechen mussten – aber als unzufrieden können wir uns nicht bezeichnen. Schließlich geht es uns noch allen gut, und wir sind mit unseren Unsicherheiten und Reiseschwierigkeiten nicht alleine.
Auf dem Schrottplatz war eine Gruppe von uns an diesem spontanen Tag, andere haben noch letztes Fotomaterial in der Erdnussstadt in Alabama angefertigt – und nicht wenige haben sich über einen Tag im Hotelbett und am Pool gefreut.
Vor 24 Stunden saßen wir auch zusammen – im Zimmer nebenan, deutlich angespannter und ohne Pizza. Schon wieder ist die Redeflasche im Einsatz. Delta-Airlines meint, unsere Flüge gingen ganz normal. Wir müssen KLM erreichen. Waren wir nun den ganzen Tag rein aufgrund eines Kommunikationsfehlers verschiedener Fluggesellschaften im Auto gesessen? 30 Minuten später die Rückmeldung: Nein, die Flüge gehen doch nicht wie geplant nach Dresden. Ob wir nach London wollten – morgens am nächsten Tag. London ist sicher eine schöne Stadt – aber: wie sollten wir von dort nach Deutschland gelangen? Wir spekulieren. Hat der Tunnel schon geschlossen? Können wir uns vielleicht ein Schiff ausleihen?
Niemand weiß so recht, was zu tun ist. Die ersten sind vom untätigen Warten genervt und räumen ihr Gepäck aus dem Kofferraum. Dass wir hier übernachten werden, scheint wohl sicher. Der Rest setzt sich auf das Sofa und wenige Minuten später zeigt der Fernseher des Hotelzimmers eine Kurzreportage über Seekühe – ein kleiner Trost zu unserem eigentlich geplanten Ausflug am kommenden Tag. Nachdem auch danach immer noch nichts feststeht, vereinbaren wir eine Nachtwache. Matthieu wird sich um drei Uhr melden. Also: abwarten.
23.3. 14:40
„Die Toiletten am Bahnhof sind auch alle geschlossen. Dürfen wir nicht vielleicht doch die…?“ Ich bemühe mich den Hundeblick aufzusetzen und mich nicht abwimmeln zu lassen. Eine Mitarbeiterin läuft an der Theke vorbei und murmelt etwas. „Die Toiletten sind hier rechts hinein“, erwidert kurz darauf meine erste Ansprechpartnerin. Schnell winke ich die anderen vier herein, die vor der Hoteltür gewartet haben. Auch während wir nacheinander vor der WC Tür warten, lässt uns der Gedanke an die unsichere Rückreise nicht los „Vielleicht sollten wir es mit Trampen versuchen. Mit einem großen Schild „Ich habe kein Corona. Bitte nehmt mich mit!“ oder vielleicht „Ich will nach Hause! Und direkt darunter: wissenschaftliche Erkenntnisse haben ergeben, dass Außerirdische keine Überträger des Virus Covid-19 sein können!“ Ich male mir aus, wie wir in einigen Monaten einen Ausflug hierher zurück machen werden. Ganz neue Sightseeingpunkte werden dann für uns von Relevanz sein. „Hier haben wir den einzig offenen Lebensmittelladen gefunden. Und hier bringen wir eine Dankeskarte fürs Wasserlassen dürfen vorbei!“
23.3 23:58
„Tourismus sozusagen?“ murmelt der Beamte, während er die Autotür öffnet, um die Ausweisbilder mit unseren Gesichtern abzugleichen. „Nun ja, also ein Austausch über das Studentenwerk“. „Und direkt aus Paris?“ Schweigen. Niemand traut sich so recht, etwas zu sagen. Nicht, dass wir doch noch zurückgewiesen werden – Millimeter vor unserem wichtigsten Etappenziel. „AusFlorida – dann sind wir mit dem Flugzeug nach Paris geflogen, weil keine andere Verbindung mehr nach Europa zur Verfügung stand“, ergreife ich schließlich das Wort. Noch länger Schweigen wäre nur verdächtig gewesen. Der Polizist blickt weiter auf die Ausweise. Endlich sagt er wieder etwas „Nun, hat es euch in Florida denn gefallen?“ Ein etwas hoffnungsvolles „Ja“ kommt aus den verschiedenen Richtungen des Wagens „Sicher nicht so kalt wie hier, nicht?“ „Das stimmt“, erwidert das Auto im Chor. „Nun denn – gute Heimfahrt!“ spricht der Mann die erlösenden Worte aus und gibt uns den Stapel Ausweise zurück. „Ihnen noch ein gutes Aushalten in der Kälte!“ sagt das Auto und dann ist es auch schon weg.