Wir hatten bereits gewitzt, wer aus der Gruppe den Rekord im Singen russischer Lieder brechen wird. Jetzt stehen wir neben einer überdimensionierten Lenin-Statue in einem Club an der Dumskaya Ulitsa (Думская улица). Unsere Karaokebarerfahrung des Abends ist dabei etwas ernüchternd ausgefallen. Als letzte Station befinden wir uns gerade in einem Club, in dessen zweiter Etage wir ein paar russischen Hobbysänger:innen beim Trällern zuhören konnten – doch um sich selbst hinzusetzen erleben wir bereits zum dritten Mal an diesem Abend ein Déjà-Vu: „12.000 Rubel müsst ihr zahlen – dann könnt ihr euch an den Tisch setzen und dürft so viel trinken und essen bis das Budget aufgebraucht ist“, erklärt uns in der ersten Location die Dame an den Tresen in gebrochenem Englisch. 140€ ? Wir vermuten zwar, dass die Teuerste sich im multisprachlichen Kontext gerade ein wenig vertan hat, aber fragen auch nicht nach – so richtig nach Tischservice à la Geburtstagsfeier ist uns nicht zumute. Wir überlegen einen Moment lang ob wir auf der frei zugänglichen Tanzfläche bleiben. Doch die Schallwellen, die aus den Boxen entfleuchen, entsprechen nicht wirklich unserem Musikgeschmack.

„Nur zum Sitzen? Hat sie das wirklich so gesagt?“ Phillip ist entsetzt, als wir schon wieder die Straße überqueren. „Jap – 2000 Rubel pro Person für zwei Stunden Barsitzen- in einer Stunde geht das Karaokesingen los- da kannst du dann aber ohne Aufpreis teilnehmen.“ Ich bin ein wenig stolz darauf, dass ich alle Ausführungen der Dame am Einlass des zweiten Clubs auf Russisch verstanden habe. Um sicherzugehen, bestätigt mir dies noch einmal die von ihr als Hilfsservice hinzugezogene Übersetzungsapp auf ihrem Handy. Und nun? Die Mädels entscheiden sich, noch die Dumskaya entlang zu flanieren – Philip ist das ein wenig zu heikel. Während Amelies Reiseführer diesen Straßenzug explizit empfiehlt, ist die restliche Truppe allgemein ein wenig skeptisch eingestellt, nachdem uns unsere russischen Mitfreiwilligen nicht gerade empfohlen haben, uns Nachts in diesem Viertel herumzutreiben und Franka bei ihrem Morgenjogging eine Blutlache sichtete. Wir aber haben an diesem Abend auch ohne vorangegangene Karaokebeschallung ein verringertes Gefahrenbewusstsein und machen uns auf den Weg. Zunächst werden wir von einer jungen Dame mitgezogen, die uns auf Russisch mit dem kostenlosen Eintrittsangebot in einen Stripticlub einladen möchte. Als wir am Eingang gerade die hindurchstreifenden Polizisten sehen, entscheiden wir uns dazu, lieber alleine weiter Ausschau zu halten. Polizei ist hier aber keine Seltenheit. Ein Streifenwagen steht prominent in der Mitte der menschenüberströmten Straßen und Polizisten sind gefühlt an jedem Clubeingang zu sichten. Während wir weiterlaufen tauschen wir uns darüber aus, ob uns diese Sicherheitskräftepräsenz nun eher beruhigen oder Anlass zur Herausbildung eines mulmigen Gefühls geben sollte. Zu einem befriedigenden Ergebnis sind wir auch nicht gekommen, als wir schon durch die Einlasskontrolle der nächsten und auch letzten Station gelangen. Hier landen wir nun neben der Leninstatue im recht leeren Clubsaal – nach wenigen Fotos kann uns dort auch nichts mehr wirklich halten. Unser Fazit: Vielleicht sollten wir es noch einmal mit Einheimischen versuchen, die wissen, wie man in Sankt Petersburg wirklich Karaoke singt!